20. Januar 2025
Was unsere Evolution über moderne Biotechnologie verrät
Fermentation, Feuer und unser großes Gehirn – was unsere Evolution über moderne Biotechnologie verrät
Wie ist der Mensch zu seinem außergewöhnlich großen Gehirn gekommen? Diese Frage beschäftigt Evolutionsbiologen seit Jahrzehnten. Lange galt das Feuer – und damit das Kochen – als entscheidender Schritt in der Entwicklungsgeschichte. Doch ein faszinierender Gedanke rückt zunehmend in den Fokus: War es womöglich die Fermentation, die den Menschen den entscheidenden Evolutionsvorsprung verschaffte?
In der Podcast-Episode "Fermentation, Fire, and Our Big Brains" diskutieren die Forscherinnen Dr. Katherine Bryantund Dr. Erin Hecht genau diese Hypothese. Ihre These: Fermentierte Lebensmittel könnten unseren Vorfahren früher und einfacher zugänglich gewesen sein als gekochte Speisen – und dennoch einen ebenso großen Beitrag zur Energieversorgung des Gehirns geleistet haben.
Denn das menschliche Gehirn ist ein regelrechter Energieverschlinger: Rund 20 bis 25 Prozent unseres gesamten Energiebedarfs gehen allein auf seine Rechnung. Um eine solche Energieversorgung zu gewährleisten, mussten frühe Menschen neue Wege der Nahrungsverwertung finden. Fermentation, so Bryant und Hecht, könnte dabei eine entscheidende Rolle gespielt haben. Sie macht Nahrungsmittel leichter verdaulich, erhöht die Bioverfügbarkeit von Nährstoffen und kann antinutritive Stoffe abbauen. Kurz gesagt: Durch mikrobielle Vorverdauung wird mehr aus weniger.
Während das Kochen mit Feuer technologische Fähigkeiten, Werkzeuge und soziales Lernen voraussetzt, kann Fermentation auch spontan auftreten. In warmem Klima, mit den richtigen Bedingungen, fermentieren pflanzliche oder tierische Rohstoffe fast von selbst. Das heißt: Auch ohne aktives Zutun konnte sich der Mensch diese mikrobielle Transformation zunutze machen – ein möglicher evolutionärer "Glücksfall".
Für uns bei woresan ist dieser Blick in die Evolution kein bloßer Rückblick. Im Gegenteil: Er bestätigt unsere Überzeugung, dass Fermentation nicht nur ein Verarbeitungsschritt, sondern eine grundlegende Form von Biotechnologie ist – eine, die tief in der Natur verankert ist und der wir mit Respekt und Neugier begegnen sollten.
Unsere Herangehensweise der ökosystemischen Fermentation basiert auf genau diesem Prinzip: Statt selektive Einzelstämme zu züchten, setzen wir auf mikrobielle Vielschichtigkeit, auf natürliche Koexistenz und gegenseitige Regulation innerhalb der Mikrobenwelt. Dieses komplexe Zusammenspiel erzeugt Fermente, die nicht nur stabil, sondern auch reich an bioaktiven Inhaltsstoffen sind. Es ist ein System, das sich an der Natur orientiert – und nicht daran, sie zu übertrumpfen.
Dass diese mikrobielle Komplexität evolutiv gewachsen ist, zeigt auch ein Blick auf traditionelle Fermente aus aller Welt. Ob Kimchi in Korea, Sauerteig in Mitteleuropa oder Chicha in den Anden: Überall auf der Welt haben Kulturen mit Mikroorganismen gearbeitet, lange bevor sie sie benennen oder unter dem Mikroskop beobachten konnten. Diese traditionellen Fermentationsprozesse sind kulturelle Speicher biologischen Wissens – und heute wertvolle Inspirationsquelle für funktionelle Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel und kosmetische Inhaltsstoffe.
Gerade im Bereich Kosmetik erleben wir derzeit eine Renaissance der Mikrobiologie. Mikrobiomfreundliche Formulierungen, Post- und Parabiotika, fermentbasierte Wirkstoffe: Was früher nur als Konservierung oder Duftstoff galt, wird heute als gezielter Beitrag zur Hautgesundheit verstanden. Und auch hier zeigt sich: Je näher wir an natürliche mikrobielle Prozesse herankommen, desto verträglicher, wirkungsvoller und nachhaltiger sind die Produkte.
Wenn Fermentation ein Schrittmacher der menschlichen Evolution war, dann ist sie auch ein Wegweiser für unsere Zukunft. Denn die Herausforderungen von heute – Ressourcenknappheit, Klimawandel, Gesundheit, Hautverträglichkeit – verlangen nach naturnahen, intelligenten Lösungen. Fermentation kann eine solche Lösung sein: nicht als romantische Rückbesinnung, sondern als hochaktuelle Technologie mit Wurzeln in der Natur.
Fermentation war nie ein Trend. Sie war immer ein Fundament. Und vielleicht unser ältestes Biotech.
Inspiriert durch die Podcastfolge „Fermentation, Fire, and OurBig Brains“ (Many Minds Podcast, mit Dr. Katherine Bryant und Dr. Erin Hecht.
